Elisabeth Sedlak
Elisabeth Sedlak
Studium der Kunstgeschichte, Deutschen Philologie, Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und an der École du Louvre, Paris. Seit 2018 Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC) am Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Stipendiatin des Marietta Blau-Stipendiums für Studien- Forschungsaufenthalte bei eikones, dem Zentrum für die Theorie und Geschichte des Bildes an der Universität Basel, am Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris (DFK) und in der Sammlung Scharf-Gerstenberg in Berlin. Seit 2016 Mitglied des Neuberg College – Verein für Übersetzung der Gesellschaft.
Research interests: (Neo)Avantgarde, Theorie und Methodologie der Kunst- Literatur- und Kulturwissenschaften, Bildtheorien, Anagrammtheorien, Metapherntheorien, Literatur der Spätromantik und Nachkriegsliteratur
Current research project: Das bildkünstlerische Anagramm als medienreflexive Figur im französischen Spätsurrealismus und im Kontext der österreichischen Avantgardebewegung seit den 1960er-Jahren
Die Ausgangshypothese meines Dissertationsprojekts lautet, dass sich auch im Bild eine Anagrammatik feststellen lässt, die sich die medienreflexiven Eigenschaften anagrammatischer Gebilde zunutze macht. Das Anagramm, eine der ältesten literarischen Techniken, bezeichnet die Umstellung einzelner Buchstaben eines Wortes zu einer neuen sinnvollen Kombination. Indem die Zeichen auf der Signifikantenebene in Bewegung versetzt werden, wird ein Bewusstsein für den Zeichenkörper geschaffen und somit auch für das, was an schöpferischem und subversivem Potential in ihm steckt. Diese Eigenschaft macht das Anagramm zu einer (medien-)reflexiven Figur und ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es auch in mystischen, kryptografischen sowie ludischen Traditionen eine bedeutende Rolle spielt. Die selbstreflexive Komponente des Anagramms war zwar schon seit seinen Anfängen präsent, wurde aber erst im 20. Jahrhundert wirksam gemacht, um über spezifische literarische Verfahren sowie den Umgang mit Texten und allgemeiner über die Funktionsweise von Sprache nachzudenken. Eben dieses medienkritische Potential scheint ein wichtiger Grund dafür zu sein, dass das anagrammatische Verfahren in der ästhetischen Moderne auch in Bildern erprobt wurde. Besonders in den (Neo-)Avantgarden des 20. Jahrhunderts wurde ihm ein lebhaftes Interesse zuteil. Gleichzeitig fungierte es als Paradigma bedeutender theoretischer Modelle in Linguistik, Psychoanalyse und (Post-)Strukturalismus. Vor dem Hintergrund eines in der Literaturwissenschaft entwickelten Konzepts der Anagrammatik soll mit den Mitteln der kunsthistorischen Formanalyse das vielgestaltige Projekt einer bildkünstlerischen Anagrammatik rekonstruiert werden. Orientieren werde ich mich dabei an topischen Gegensätzen wie denjenigen von Körper und Schrift, Schrift und Bild, Automatismus und Subjektivität, Zeitkunst und Raumkunst. Die Erarbeitung der konstitutiven Eigenschaften des bildkünstlerischen Anagramms eröffnet nicht nur eine neue Perspektive auf die Kombinatorik in der Kunstgeschichte, sondern schafft auch die Grundlage dafür, dieses Phänomen innerhalb der Bildkritik zu verhandeln.